The Musicians

Musik auf Gamben und Flöte

IMG_8722Es gibt nur wenige Musikinstrumente, die ich nicht irgendwann einmal gespielt hätte. Wenn auch meine Liebe fast allem gilt, auf dem man Musik machen kann, so hat sie sich doch mehr und mehr auf die Instrumentalmusik „gespielt auf den Instrumenten, für welche sie geschrieben wurde“ konzentriert, insbesondere alte Kammermusik. Seit über dreißig Jahren arbeite und konzertiere ich als Flötist, spezialisiert auf historische Flöten, und seit mehr als zwanzig Jahren spielen Annette Otterstedt und ich öffentlich und privat zusammen die Gamben.

Die Flöte begann ich mit fünf Jahren, die Geige mit sechs, und beides machte gute Fortschritte, bis ich fast sechzehn war. Inzwischen hatte sich die familiäre Skepsis gegenüber meiner Musikbegeisterung in offene Ablehnung verkehrt, so daß ich nach Überstehen des Gymnasiums neben dem offiziellen Studium der Anglistik heimlich am Konservatorium Flöte studierte.

Sehr bald wurde mir klar, daß ich ein Leben als moderner Orchesterflötist nicht verlockend fand. Vielmehr faszinierten mich die aufkeimenden Versuche, alte Musik auf ‘historischen’ Instrumenten, d.h. denen der Epoche, aufzuführen. Ein ordentliches Studium dieser Instrumente war zu dieser Zeit freilich ebenso wenig verfügbar wie ordentliche Nachbauten alter Flöten, und so entschloß ich mich, es allein zu wagen, mit den zeitgenössischen Quellen als Lehrer und Freunden und Kollegen als Mitstreitern — mit Erfolg, wie es scheint. Als Mitglied verschiedener Alte‑Musik‑Ensembles in Deutschland und Holland, darunter die ‘Musicalische Compagney’, ‘Fiori Musicali’, ‘The Music Party’, wirkte ich an Konzerten und Aufnahmen überall in Europa mit.

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1981 traf ich die hervorragende Gambistin und Musikwissenschaftlerin Annette Otterstedt, mit der sofort und ohne Proben ein noch nie erlebtes, vollkommenes musikalisches Einverständnis bestand, das seither nie abgerissen ist. Sie erwies sich mir als eine vorzügliche Gambenlehrerin, mit dem Ergebnis, daß meine Arbeit in Barockorchestern mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt wurde von unserem Zusammenspiel auf zwei Gamben sowie in gemischten kammermusikalischen Barockbesetzungen.

Im Zentrum unserer musikalischen Arbeit steht die Musik für Ensembles mit Gamben, insbesondere die für das englische Gambenconsort, sowie die Musik für zwei Gamben, also für zwei Lyra Viols, zwei virtuose Division Viols, zwei französische Baßgamben, und schließlich für alle Arten von Dicantgamben mit Baß. Entscheidend für das gute Zusammengehen ist es, daß alle unsere Gamben aus einer Hand stammen (Neil Hansford, Bristol), und daß wir für jede Musik die Nachbauten derjenigen Instrumente verwenden, die zu dieser Zeit an diesem Ort mit dieser Besaitung und diesen Bögen gespielt wurden. Dementsprechend sind alle Gamben — mit Ausnahme der 7‑saitigen Franzosen — mit glatten, unumsponnenen Darmsaiten bezogen, die auf allen Chören dieselbe Spannung haben.

Dank der Großherzigkeit eines Freundes und Gönners ist nun nach unseren Vorgaben auch noch ein Nachbau einer englischen Kammerorgel aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Orgelbauerwerkstatt Goetze & Gwynn, Welbeck, Notts., entstanden, die für viele Gambenmusik der Epoche unentbehrlich ist. Das Original gehört zu den sehr wenigen Instrumenten, deren erhaltene Pfeifen eine Rekonstruktion des ursprünglichen Werkes überhaupt noch möglich machen. Obendrein spricht manches dafür, daß diese Orgel in direktem Zusammenhang mit William Lawes stand. Unsere neue Orgel hat fünf Register, und wir beabsichtigen, zumindest vier davon regelmäßig mit dem Consort erklingen zu lassen; denn uns scheint, daß Kompositionen ‘to the Organ’ (das heißt ‘in die Orgel’ gespielt) nicht zur Streichermusik mit Begleitung einer gedämpften Kuh (alias gedackter 8‑Fuß) herabgewürdigt werden dürfen. Übrigens ist die Orgel, wie alle der ausgehenden Tudorzeit, nicht mit Stimmklappen versehen, d.h., sie ist in einer unveränderlichen Wohltemperatur nach dem Erlanger Manuskript ‘Pro clavichordiis faciendis’ gestimmt, die erstaunlich wenig bekannt ist, obwohl sie über mehrere Jahrhunderte nachgewiesen ist.